Ohne faire Sprache keine Gleichstellung

Von Sinem Sik  

„Wenn die Stadt Wien alle gleichermaßen erreichen möchte, muss man auch alle gleichermaßen ansprechen.“

Ursula Bauer

Über 72% der Pressesaussendungen von Stadt Wien sind genderbedürftig. Von 100 Zitaten kommen 39 Frauen zu Wort. In Pressemitteilungen werden insgesamt nur 37% Frauen namentlich genannt. Nicht jede Person achtet auf die Präsenz der Geschlechter, wenn sie eine Zeitung liest. Aus diesem Grund scheint alles im ersten Blick ‚gerecht‘ zu sein.  

Ich habe mit meinen Studienkolleginnen einige Pressemitteilungen Stadt Wiens genauer angeschaut. Durch eine detaillierte Inhaltsanalyse, sind wir auf die oben ernannten Zahlen gekommen. „Wie würden diese Zahlen bei Boulevardzeitungen ausschauen?“, war mein erster Gedanke, als ich die Forschungsergebnisse durchgegangen bin. Dadurch, dass diese jeden Tag, gratis, überall in großer Menge zu finden sind, greifen viele auf dieses Boulevardmedium zu. Nun stellt sich die Frage, wie sich nicht gegenderte Texte und Inhalte in Medien auf die Gesellschaft auswirken. Sowohl Frauen, als auch Kinder in Instagram werden zu Zielobjekten für sexuellen Fetischismus.„Women’s Views on News“ hat die Instagram- Posts untersucht und konnte mehrere solcher Fälle identifizieren. Dazu gehören, neben der großen Anzahl an pornografischen Kommentaren, sexuell belästigende Kommentare und sowohl private als auch öffentliche Anfragen nach sexuellen Inhalten oder Fotos (Campaigns, 2019).  

Ursula Bauer ist seit einigen Jahren in der Stadt Wien im Magistrat tätig und erklärt die Relevanz der geschlechtergerechten Sprache: 

„Wenn ausschließlich im generischen Maskulinum kommuniziert wird, bleiben Frauen – auch wenn sie, wie so oft gesagt wird, „mitgemeint“ sind – unsichtbar.“ 

Laut Bauer kann ohne faire Sprache keine Gleichstellung der Geschlechter erreicht werden. Wenn beispielsweise alle Geschlechter gemeint sind, müssen im Text oder in der Sprache auch beide Geschlechter erwähnt werden. Es ist deshalb äußerst relevant, da sich die Personen die rezipierte Mitteilung verbildlichen und durch falsche Kommunikation wird eine falsche Verständlichkeit erzeugt.  

Verständlichkeit und Kompetenz der gendergerechten Sprache 

Neben der Berücksichtigung und Implementierung einer gendergerechten Sprache der Presseleute, müssen diese auch von der Gesellschaft akzeptiert werden.  

Eva Gassner ist im Presse- und Informationsdienst (PID) der Stadt Wien tätig und versucht dem komplizierten oder unverständlichen Gendern entgegenzuwirken. “Im Grunde befassen wir uns damit, Texte der Stadtverwaltung in eine leichter verständliche Sprache zu übersetzen.”, erklärt sie in ihrem Interview.  Es wurden, unter anderem von PID, ein Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache erstellt. Dieser wird berücksichtigt während die Pressemitteilungen erstellt werden. Jedoch ist es natürlich eine zusätzliche Herausforderung bei online Presseaussendungen, die gendergerechte Sprache entsprechend zu berücksichtigen. Außerdem informiert uns Bauer, dass der Leitfaden im Moment in Überarbeitung ist, um das dritte Geschlecht zu implementieren. 

Darüber hinaus spricht Gassner von zwei Facetten, die grundlegend sind, um die LeserInnen mit einer gendergerechte Sprache direkt anzusprechen. Einerseits müssten sie sich angesprochen fühlen und andererseits sollte der Text auch verständlich geschrieben sein. Laut Gassner, liegt das grundlegende Problem derzeit bei den zu langen Texten. Diese müssten gekürzt werden, um den Lesefluss nicht zu stören. Desweiteren, konnten die Expertinnen feststellen, dass die jüngeren Generationen bereits in der Hinsicht sensibilisierter sind als die älteren. Über den Leitfaden sind beide der Meinung, dass es eine gewisse Erleichterung von vielen gab, die nicht wussten, wie sie korrekt gendergerecht formulieren. “Und da ist es oft wirklich hilfreich, zur direkten Ansprache zu wechseln”. Beispielsweise könnte die Person mit ‚Sie‘ angesprochen werden, statt  ‘der/die AntragsstellerIn (hat seine/ihre Unterlagen mitzubringen)’.  

Jedoch sind die Hilfsmaterialien nur dann nützlich uns sinnvoll, wenn die betroffenen Personen einsehen, dass die gendergerechte Sprache berücksichtigt werden muss. Da es zu diesem Thema unterschiedliche Perspektiven gibt, ist ein generalisierbarer Lösungsansatz auszuschließen. Eine eindeutige ‚Norm‘ zu erstellen um das Problem zu lösen wird diskutiert. Sinnvoller ist es die MultiplikatorInnen, Führungskräfte und Presseleute zu sensibilisieren. Dementsprechend sollten die Gesellschaft auf die Relevanz aufmerksam gemacht werden. Ein Beispiel dafür ist das Informationsportal ‚Who Makes the News (WMTN)‘. Die weltweit größte und älteste Forschungsinitiative stellt Informationen und Ressourcen zur Verfügung für Gleichstellung der Geschlechter zu sorgen. Außerdem konzentrieren sie sich auf Diskriminierungen durch Medien und Kommunikation, die entgegengewirkt werden sollen. Mittlerweile ist es ein großes Netzwerk mit Organisationen oder auch Einzelpersonen, wie WissenschaftlerInnen oder andere AktivistInnen (WMTN, 2019).   

Schließlich möchte ich erneut auf die Relevanz der gendergerechten Sprache aufmerksam machen.  Die Informationen, die wir aus Medien rezipieren, suchen wir uns genau aus. Jedoch spielt der Kommunikationsweg, in dem wir die Mitteilungen aufnehmen eine entsprechend wichtige Rolle. Wenn ich einen Text lese, der ausschließlich in männlicher Form geschrieben wurde, fühle ich mich nicht angesprochen oder sogar unsichtbar. Damit auch alle LeserInnen erreicht werden, müssen auch alle gleichermaßen angesprochen werden. Beispielsweise, wenn Jobinserate oder Flyer nicht in einer ‚fairen Sprache‘ also nicht einer gendergerechten Sprache geschrieben werden, gehen Interessen verloren. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Sprache zu Änderungen in der Gesellschaft führen kann. Folglich ist es besonders wichtig sowohl Männer als auch Frauen gleichermaßen anzusprechen. Bauer erklärt, dass das Problem sichtbar gemacht werden muss, indem es zu Wort kommt. „Je mehr ich darüber rede, desto mehr wird es Normalität und desto eher wird das auch anerkannt werden“. Jedoch kann sich das auch im negativen Sinn entwickeln, indem Anti- Feminismus normalisiert wird.  

„ […] Dieser gewisse Backlash, der da schon von manchen Seiten kommt und wo auch die Auswirkungen des Rechtsrucks in Europa gemerkt werden.“ 

In diesem Kontext kann das Sprichwort Sprache macht den Menschen gefolgert werden und die Macht der Worte, darf nie unterschätzt werden.  


Referenzen

Campaigns. (09.12.2019). Sci/Tech. Aufgerufen am 04.02.2020, von http://www.womensviewsonnews.org/2019/12/instagram-men-fantasies-and-underage-girls/ 

Who makes the news? Abgerufen am 03.02.2020, von http://whomakesthenews.org/about-us  

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