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Von Lea Goldberger
Mitbegründet durch die Europäische Union, vereint die Plattform Advancing Gender Equality in Media Industries kurz AGEMI genannt, umfangreiche Tools und Ressourcen in Bezug auf eine gleichberechtigte, geschlechterstereotypfreie und integrative Förderung in den Medien (AGEMI, 2020). „Best-Practice Beispiele“ dienen als Veranschaulichung welcher (lange) Weg noch bestritten werden muss, um das Konzept rund um Gender-Mainstreaming, beziehungsweise die Gleichstellung von Frauen und Männern durchzusetzen.
Doch was genau bedeutet eigentlich Gender-Mainstreaming? Eine exakte Übersetzung des Begriffes existiert im Deutschen leider nicht. Im Englischen bezieht sich der Begriff Gender auf das „soziale Geschlecht“ welches ungleich dem biologischen Geschlecht ist und sich auf den sozial, kulturell und psychologisch geformten Teil von Weiblichkeit und Männlichkeit bezieht. Eng verbunden damit sind alle Vorstellungen und Vorurteile, die sich mit dem jeweiligen Geschlecht in Verbindung bringen lassen. Mainstreaming, beziehungsweise der Mainstream, beschreibt eine Hauptströmung die das Denken und Handeln einer Mehrheit als selbstverständlich erscheinen lässt. Eine detailliertere Erklärung sowie Anwendung und Umsetzung kann im Leitfaden für Gender Mainstreaming des Österreichischen Sozialministeriums (BMASGK, 2014) nachgelesen werden. Um den unterschiedlichsten Bedürfnissen und Ansprüchen von Frauen und Männern gerecht zu werden und zu einer solidarischen Gesellschaft beizutragen, setzt die Gleichstellung auf verschiedenen Ebenen an. Die im Alltag oft synonym verwendeten Wörter wie Gleichstellung und Gleichberechtigung meinen im Fachjargon jedoch etwas gänzlich Gegensätzliches. Während unter der Gleichstellung Maßnahmen bezeichnet werden, die darauf abzielen, Frauen und Männern gleiche Chancen aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse zu geben und ihre jeweiligen Fähigkeiten ohne diskriminierende Rollenzuweisung einzuschränken, so versteht man unter dem Begriff der Gleichberechtigung ausschließlich die gleiche Behandlung nach dem Recht.
Zusammen mit der Stadt Wien wurden im Laufe des Wintersemesters 2019 im Rahmen eines Forschungspraxisseminars an der Universität Wien handfeste Konzepte eines Action-Research Plans entwickelt und durchgeführt um zu untersuchen wo und wie die Stadt Wien Gender Mainstreaming Maßnahmen einsetzt und umsetzt. Ergebnisse der Lehrveranstaltung sollten im besten Fall eine Win-Win Situation für alle Beteiligten darstellen. Die Stadt Wien (Stadt Wien, 2020) definiert allgemeine Gleichstellungsziele unter anderem mit der Auflösung von Diskriminierung, die konforme Partizipation aller Personen, sowie einer von traditionellen Rollenmustern befreite und selbstbestimmte Lebensgestaltung aller Geschlechter.
Anhand vieler Beispiele im alltäglichen Leben ist jedoch ersichtlich, dass die Gleichstellung der Geschlechter noch nicht ganzheitlich zufriedenstellend in den Alltag der Gesellschaft integriert wurde. Die Seite „the everyday sexism project“ gibt Frauen eine Stimme die bereits Situationen bezüglich Alltagssexismus und Diskriminierung erfahren haben. Beispiele wie jene zeigen, dass nach wie vor Bedürfnisse von Frauen und Mädchen oft zweitrangig in der Gesellschaft verankert sind. Dies zeigt sich insbesondere im öffentlichen Lebensraum und in der Stadtplanung anhand von Beispielen wie öffentlichen Toiletten, Spielplätzen, Verkehrsmitteln und vielen mehr. Bereits seit dem 1. Jänner 2000 (Stadt Wien, 2020) setzt die Stadt Wien ein klares Zeichen zur querschnittsorientierten Frauen- und Gleichstellungspolitik und gilt somit europaweit als Paradebeispiel in Bezug auf Gender Mainstreaming und die Gestaltung von öffentlichen Räumen.
Aber nicht nur die Stadt Wien zeigt bei der Beseitigung von Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern groß auf. Abseits des öffentlichen Raumes tragen die Medien im großen Stil zur Gestaltung und Wahrnehmung von Geschlechterverständnissen bei. Mithilfe der Medien lassen sich leicht neue Stereotype erzeugen oder altbewährte verstärken (Council of Europe, 2013). Professorin Karen Ross beschreibt in einem Interview, abrufbar über die Plattform AGEMI, dass Frauen jahrzehntelang in den Medien unterrepräsentiert waren. Ein Beispiel aus dem Sport soll verdeutlichen, welchen mächtigen Einfluss Medien auf die Art und Weise haben, worüber wir denken und reden. Usain Bolt, ein jamaikanischer Sprinter und Weltrekordhalter über 100m, überzeugt nämlich nicht nur auf der Laufbahn, sondern auch in den Medien. Ein Athlet, der weltweit bekannt ist. Attribute wie schnell, athletisch und dominant werden oft in Zusammenhang mit seinem Namen erwähnt. Er hat sich selbst zur Marke gemacht und inszeniert sich auf vielen Social-Media-Kanälen als der Popstar der Leichtathletikszene. Unzählige Medien berichteten über den Star der Leichtathletik. Über die schnellste Frau der Welt hingegen (Stand 2017, WM in London) Elaine Thompson wurde in der gleichen Zeit in den Medien deutlich seltener berichtet (Pilsczek, 2013).
Es ist jedoch wichtig, dass vor allem die junge Generation sieht das Frauen und Männer das Gleiche tun und können. Den viel zu oft kommt es in den Medien zur Berichterstattung „von Männern für Männer“.
Gott sei Dank gibt es mittlerweile unzählige höchst erfolgreiche und bewährte Frauen, die in Spitzenpositionen, als (extreme) Sportlerinnen, erfolgreiche Ärztinnen, Professorinnen usw. tätig sind. Um das Bewusstsein in der Gesellschaft zu verankern ist es wichtig, dass Medien dies auch repräsentieren ganz nach dem Motto: „[…] If you can see it, you can be it!“. (Ross, 2019)
Die Umsetzung von Gender-Mainstream kann nicht von heute auf morgen erreicht werden. Vielmehr beschreibt Gender-Mainstreaming einen Prozess, der zuerst definiert und geplant werden muss. Sowohl als Medienmacher als auch im Alltag kann jede und jeder Einzelne einen Beitrag zur Überwindung von Gender-Mainstreaming Aspekten leisten, um so die Gleichstellung in den Alltag zu integrieren.
Um den Verlauf dieses Prozesses verstehen zu können bedarf es einer Observation des (eigenen) Umfeldes. Den Gender-Mainstreaming beginnt mit einer Analyse der alltäglichen Lebenssituationen von Frauen und Männern. Fallen mir Beispiele oder Situationen ein oder auf, in denen es zur Ungleichstellung zwischen Frauen und Männern kommt? Was genau ist in solch einer Situation passiert und wer war involviert? Wie hat sich diese Situation für mich angefühlt? Was ist wirklich passiert? Der zweite Schritt des Prozesses beinhaltet eine konkrete Planung, was zukünftig in solchen Situationen unternommen werden kann. Wie kann die Situation verändert werden, sodass es zu einer Gleichstellung von Frauen und Männern kommt? Sei es die Aufklärung über einen bestimmten Sachverhalt oder das konkrete Einschreiten in eine Situation. Im Anschluss daran folgt die Umsetzung der vorab erstellten Pläne. Schon allein das Reden über bestimmte Missstände und Sachverhalte erhöht das Bewusstsein und die Sensibilisierung von Gender-Mainstreaming Aspekten. Jedoch führen nicht nur Worte, sondern vor allem auch Taten eines jeden und jeder Einzelnen zum Ziel, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in die Gesellschaft zu integrieren. Der vierte und somit abschließende Schritt des Prozesses beinhaltet die Kontrolle beziehungsweise die Überprüfung ob und inwiefern Maßnahmen eingesetzt werden und so auch wirken.
Gender-Mainstreaming Prozess:

Gender Mainstreaming (Europäische Kommission, 2005) soll nicht NUR Frauen ansprechen. Nein, es geht darum, sicherzustellen dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen von Frauen UND Männern aufgrund ihrer individuellen geschlechterspezifischen Bedürfnisse, sinnvoll genutzt werden.
Quellen
Advancing Gender Equality in Media Industries. (2020). AGEMI Brochure FINAL1. Abgerufen von https://www.agemi-eu.org/pluginfile.php/891/mod_page/content/7/AGEMIBrochure.pdf?time=1567610725255
Council of Europe. (2013). Media And The Image Of Woman. In Report of the 1st Conference of the Council of Europe Network of National Focal Points on Gender Equality, (S. 1-30). Abgerufen von https://rm.coe.int/1680590587
Europäische Kommission. (2005). EQUAL-Leitfaden zu Gender Mainstreaming. Abgerufen von https://ec.europa.eu/employment_social/equal_consolidated/data/document/gendermain_de.pdf
Pilsczek, R. R., (2013). Mehr Sein als Schein. Wie wir die Welt sehen. Die PPR-Jahre (2009, 2012). Hamburg: Pilsczek Public Relations.
Sozial Ministerium. (2014). Gender Mainstreaming. Grundlagen und Leitfaden. Abgerufen von https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=230
Stadt Wien. (2020). Gender Mainstreaming – Ziele. Abgerufen von https://www.wien.gv.at/menschen/gendermainstreaming/ziele/index.html
Stadt Wien. (2020). Gleichstellung – Strategien für Wien. Abgerufen von https://www.wien.gv.at/menschen/gendermainstreaming/strategie/
Ross, K. (18. Juni, 2019). What is AGEMI? [Videodatei]. Abgerufen von https://www.agemi-eu.org/mod/page/view.php?id=1