Gender Mainstreaming: tun. Auch wenn es hart ist.

Von Ekaterina Chernyshova

Gender Mainstreaming ist ein schwieriger und mehrdimensionaler Begriff. Ein schwieriger, nicht nur weil er mehrere Aspekte umfasst, sondern auch weil er nicht Vielen bekannt ist. Und wenn einem etwas unbekannt ist, dann macht man sich in der Regel auch keine großartigen Gedanken darüber.

Genau darin liegt das Problem unserer Gesellschaft. Einige wollen es einfach nicht wissen, die anderen wollen nicht, dass die Ersten das wissen. Und so dreht sich das Problem im Kreis der Unbekanntheit und Unsichtbarkeit. Wenn wir aber etwas bewirken wollen, dann gilt als erster Schritt einfach immer – Awareness zu schaffen. Wie geht das aber? Über mündliche Aufklärung? Fernsehsendungen? Berichte in Zeitungen? Eines ist hier klar: die Rolle der Medien ist in dieser Frage kaum zu unterschätzen.

Eine von den Medientheorien besagt, dass Medien unsere Realität wiederspiegeln. Daraus könnte man logischerweise ableiten, dass in der medialen Umwelt die Ereignisse und Tatsachen unterrepräsentiert werden, die in der Realität ebenso selten vorkommen. Eins davon wäre die gendergerechte Stadtgestaltung.

Wenn man den Titel eines Artikels von „The Guardian“ sieht und zwar „City with a female face: how modern Vienna was shaped by women”, dann denkt man sich wohl „Aha, Wien ist wahrscheinlich gendergerecht gestaltet und alle Geschlechter sind gleichermaßen repräsentiert“. Das wäre zwar schon, aber das entsprich leider (noch) nicht der Realität. In dem oben genannten Artikel wird den Stadtteil Aspern erwähnt, wo es versucht wurde, die geplante Infrastruktur den Bedürfnissen von Frauen anzupassen. Diese Planungsmaßnahmen wurden leider noch nicht in der ganzen Stadt umgesetzt.

Worin besteht aber der Zusammenhang zwischen der gendergerechten Stadtplanung und Gender Mainstreaming in Medien? Langsam kommen wir dazu.

Im Rahmen meines Forschungsseminars haben meine Kolleginnen und ich ein Interview mit der Expertin Dipl.-Ing.in Eva Kail durchgeführt, wo sie uns unter anderem über die Umgestaltungsmaßnahmen in der Neubaugasse erzählt hat.

Eine ideale Vorstellung wäre eine Stadt mit einer polyzentrischen Struktur, das heißt, wenn alle unmittelbar wichtigen Geschäfte, Lokale, Behörden usw. problemlos erreicht werden können. Es ist auch so, dass Männer in der Regel damit keinerlei Probleme haben, während der Frauenalltag komplexer ist, weil Frauen mehr unbezahlte Arbeit leisten (Kinderbetreuung, z.B.). Dazu kommt noch, dass Frauen öfters mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, während Männer sich hauptsächlich mit Autos fortbewegen. Sicher kann man auch sein, dass jede Frau und vielleicht sogar manche Männer ein ungutes Gefühl gehabt haben, als sie durch die leeren Fassaden oder Erdgeschossgeschäfte gegangen sind. Alle diese Faktoren verdeutlichen, dass damit wir über eine gendergerechte Stadtplanung sprechen können, sind die Maßnahmen erforderlich, die Frauenbedürfnisse mehr in den Fokus rücken.

Wir haben viel über Verbesserungsmaßnahmen in der Neubaugasse erfahren, die sie zu einer neuen, besser gestalteten Begegnungszone machen sollen. Wegfall der Parkplätze, Errichtung der Trinkbrunnen und Pflanzen von Bäumen sollen vor allem im Sommer bewirken, dass Frauen und andere vulnerable Gruppen sich im Schatten ausruhen können, während sie ihre alltäglichen Aufgaben errichten.

Und nun kommen wir schlussendlich zur Rolle der Medien in Gender Mainstreaming. Als wir Straßeninterviews mit den EinwohnerInnen der Seestadt Aspern und Neubaugasse durchgeführt haben, hat sich herausgestellt, dass PassantInnen nicht wissen, dass nur 7% der Orte in Wien nach weiblichen Persönlichkeiten benannt sind. Und wenn man das wissen würde, dann würde man trotzdem höchstwahrscheinlich diese Persönlichkeiten nicht kennen. Was könnten Medien in diesem Fall tun? Ganz klar: mehr darüber berichten. Es ist vorbildhaft, dass die Stadt Wien zusammen mit ihrer Presseabteilung Materialen für die Schulen zur Verfügung stellt, die zu gendergerechter Erziehung beitragen sollen. Es würde aber einen viel größeren Einfluss haben, wenn Medien das übernehmen und in einem größeren Maßstab verbreiten würden.

Eine andere mögliche Lösung im Zusammenhang mit der Stadtplanung und Rolle der Medien wäre, dass es nicht nur über die Gestaltungsmaßnahmen in der Neubaugasse berichtet wird, sondern auch über den Hintergrund, den diese haben. Das würde einen riesigen Fortschritt zu mehr Awareness schaffen und wie wir schon erwähnt haben: Awareness ist die erste Stufe für Veränderung.

Gender Mainstreaming ist natürlich ein länderübergreifendes Thema, auch wenn wir es im Rahmen von Österreich betrachten. Eine Organisation, die sich für die gleiche mediale Repräsentation von Männern und Frauen einsetzt, ist die UNESCO. UNESCO hat einen Leitfaden (Framework) mit dem Titel “Gender-Sensitive Indicators for Media“ veröffentlicht, der mehrere Aspekte umfasst. Es ist äußerst wichtig, sich der Tatsache bewusst zu sein, dass Frauen nicht nur in Medienagenturen und Mediaberufen, sondern auch in der Medienberichterstattung unterrepräsentiert sind. Das oben genannte Werk besteht aus zwei Teilen, wo einerseits, Handlungen für mehr Gleichberechtigung in Medienorganisationen zusammengefasst sind, und andererseits, die Repräsentation der Geschlechter in Nachrichtenberichterstattung und Werbung diskutiert wird.

Gerade junge Generation kann die Veränderungen in Richtung mehr Gendergleichberechtigung und Gender Mainstreaming am ehesten bewirken. Eine gute Praxis wäre, dass man den Leitfaden der UNESCO in die Literaturliste des Medienwissenschaftenstudiengangs inkludiert und sich möglichst übergreifend damit befasst.

Manchmal ist es aufgrund von unterschiedlichsten Faktoren schwierig, eigene mediale Präsenz zu schaffen. In gewissen Situationen muss man aber gehört werden. Während „me too“ Kampagne in konventionellen Medien (Zeitungen, z.B.) kundgeworden ist, bleiben die täglichen Herausforderung vieler Frauen trotzdem unbemerkt. Wir müssen uns und unsere Anliegen sichtbar machen, um gehört zu werden. Genau mit diesem Ziel wurde „The everyday sexism project“ ins Leben gerufen. Auf der Website können Frauen (gegebenenfalls auch Männer) anonym über Sexismusbeispiele berichten, die sie erlebt haben. Und genau darin besteht eine Aufgabe der traditionellen, aber auch neuen Mediaformaten: geschlechtsspezifische Probleme sichtbar zu machen, sie nicht zu verschweigen, aufzuzeigen, dass es mehreren so geht und wir nicht alleine sind.

Die herrschende Ordnung zu ändern ist nie einfach. Das heißt aber keinesfalls, dass wir das nicht versuchen sollen. „Wir“ – alle Menschen, aber vor allem KommunikationswissenschaftlerInnen. Des Problems der Genderungleichheit (in Medien) war ich mir immer bewusst, jedoch nicht in dem Ausmaß, der sich nach unsrer Forschung herausgestellt hat. Was ich für wichtig erachte, wäre männliche Kommunikationswissenschaftler für das Thema zu begeistern. Denn wenn wir kurzfristig nicht ändern können, dass Männer mehr auf die Meinung von anderen Männern hören, dann können wir doch versuchen, die weibliche Sichtweise zu erklären, unsere Bedürfnisse aufzuzeigen, um damit übergreifendes Bewusstsein schaffen zu können. Meine Aufgabe als angehende Kommunikationswissenschaftlerin im Bezug auf Genderungleichheit (in Medien) wird sein: tun. Auch wenn es hart ist.


Quellen:

https://www.theguardian.com/cities/2019/may/14/city-with-a-female-face-how-modern-vienna-was-shaped-by-women

http://www.unesco.org/new/en/communication-and-information/crosscutting-priorities/gender-and-media/gender-sensitive-indicators-for-media/

http://everydaysexism.com/

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