Der Brückenschlag zwischen leicht verständlicher und geschlechtergerechter Sprache

Bild: © Aleksandra Stefanovic

Von Corinna Crestani, Maryam Ghanem, Lisa Hofbauer, Sinem Şık und Aleksandra Stefanovic

Eine große Herausforderung im Sprachgebrauch der Stadt Wien ist es, den Brückenschlag zwischen leicht verständlicher und geschlechtergerechter Sprache zu schaffen. Im gesellschaftlichen Diskurs wird der geschlechtergerechten Sprache häufig vorgeworfen, unverständlich und umständlich zu sein. Eine, die mit der Aufgabe, diese Kluft zwischen verständlicher und geschlechtergerechter Sprache zu überwinden, betraut ist, ist Eva Gassner. Sie ist seit vielen Jahren im Presse- und Informationsdienst (PID) der Stadt Wien tätig und betreut seit einigen Jahren ein Projekt, das sich “Leicht verständliche Sprache” nennt. “Im Grunde befassen wir uns damit, Texte der Stadtverwaltung in eine leichter verständliche Sprache zu übersetzen”, erklärt Gassner. “Prinzipiell geht es darum, Leserinnen und Lesern von Schriftstücken auf Augenhöhe zu begegnen und sie möglichst direkt anzusprechen.”

Das Projekt “Leichter verständliche Sprache” beleuchtet im Zusammenhang mit der gendergerechten Sprache laut Gassner zwei Facetten: Einerseits geht es in diesem Leitfaden darum, wie man Kundinnen und Kunden bzw. Klientinnen und Klienten der einzelnen Abteilungen der Stadt Wien (schriftlich) anspricht, andererseits soll aber auch analysiert werden, wie verständlich das Geschriebene ist. “Wenn zum Beispiel in einem Anschreiben Formulierungen wie ‘der/die AntragsstellerIn hat seine/ihre Unterlagen mitzubringen’ wird das oft schon sehr schwer lesbar”, sagt Gassner. Um mit dem Anschreiben dennoch alle Personen, unabhängig von ihrem Geschlecht, anzusprechen, empfiehlt der Presse- und Informationsdienst in seinem Leitfaden zum Beispiel die Verwendung der Anrede “Sie”. “Bei solchen Anreden ist es ja vollkommen egal, ob man eine Frau, einen Mann oder das dritte Geschlecht anspricht – wichtig ist, dass die Leute persönlich und auf Augenhöhe angesprochen werden”, sagt Gassner. Wesentliches Ziel ist es, die Texte, die derzeit noch relativ lang sind, viel knapper und direkter zu machen. “Und da ist es oft wirklich hilfreich, zur direkten Ansprache zu wechseln”, rät Eva Gassner. 

“Anregungen nicht in Stein gemeißelt”

Dennoch sei es wichtig, sicherzustellen, dass beide Geschlechter angesprochen zu werden, weshalb es im Leitfaden für leichtverständliche Sprache auch einen Absatz über geschlechtergerechte Sprache geben wird. “Ich finde es zum Beispiel befremdlich, wenn bei einer Veranstaltung durchgehend die männliche Form der Anrede verwendet wird, obwohl sich hauptsächlich Frauen im Publikum befinden”, sagt Eva Gassner. “Ich persönlich fühle mich auch eher angesprochen, wenn jemand von Wienerinnen und Wienern redet als nur von Wienern.” 

Aber natürlich ist es manchmal unvermeidlich auf Widersprüche zu stoßen – auch beim Thema geschlechtergerechte und leicht verständliche Sprache. “Es gibt verschiedene Anregungen bzw. Regeln, und die widersprechen sich manchmal durchaus”, erklärt Gassner. “Da muss man sich dann für einen Weg entscheiden, oder man versucht eine Kompromisslösung zu finden.”

Eva Gassner (links) und Ursula Bauer (rechts).
© Aleksandra Stefanovic

Genauso wie Ursula Bauer vom Dezernat für Gender Mainstreaming befasst sich auch Eva Gassner unter anderem derzeit mit der Frage, wie das das dritte Geschlecht in der Sprache sichtbar gemacht werden kann. “Das ist zur Zeit ein laufender Prozess und es hat sich gezeigt, dass es da durchaus unterschiedliche Interessen gibt. Da muss man ganz pragmatisch an die Sache herangehen”, sagt sie. Und Ursula Bauer ergänzt: “Diese Anregungen und Regeln, die wir erstellen, sind ja auch nichts, was in Stein gemeißelt ist. Wenn man etwa in fünf Jahren feststellt, dass es eine bessere Form gibt, die geschlechtergerechte oder leicht verständliche Sprache umzusetzen, dann werden wir uns das auch anschauen. Das Ganze ist ein ‘Work in progress’”, so Bauer. Es gebe nicht die einzige Wahrheit, sehr wohl aber die wichtigste: “Und das ist der Grundsatz, dass Sprache nicht diskriminieren soll und Männer und Frauen aber auch andere Geschlechter gleichermaßen und auf Augenhöhe angesprochen werden sollen . In welcher Form das ist – das kann sich jederzeit ändern.” 

“Sprache ist ein Aushandlungsprozess”

Sowohl Eva Gassner als auch Ursula Bauer ist es wichtig, dass die von ihnen erstellten Leitfäden als das gesehen werden, was sie eben sind: Richtlinien, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Orientierungshilfen geben sollen. “Genauso wie die gesamte Gesellschaft ist auch die Sprache ein Aushandlungsprozess”, sagt Bauer. “Je nach Personengruppe, die ich ansprechen will, und je nach Themenbereich über den ich spreche, wird es andere Lösungen geben müssen.” “Ja, und tatsächlich kennen ja die Leute, die täglich mit Kundinnen und Kunden oder Patientinnen und Patienten zu tun haben, diese auch am besten und werden auch am besten wissen, wie diese angesprochen werden möchten”, ergänzt Gassner. 

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