Von Kim Hufnagl und Laura Holzinger

Dodo Roscic arbeitet in der Entwicklungsabteilung des ORF und ist dort in der Programmentwicklung für den Bereich Unterhaltung zuständig. Im Laufe Ihrer Karriere hat es sie schon in verschiedene Richtungen verschlagen, seit Kurzem engagiert sie sich auch bei der Frauen Task Force. Mit uns hat Dodo Roscic darüber gesprochen, wie man durch Erfahrung zum Thema Gleichstellung gelangt und an welchen Punkten man in der Gesellschaft ansetzen sollte um in einem Miteinander etwas zu bewegen.
Warum ist Ihnen Gleichstellung wichtig?
Mir ist Gleichstellung wichtig, weil mein Werdegang einer ist, der aus einer absoluten unreflektierten, in finsterster Unschuld zu Kenntnis genommenen Hierarchie zwischen Mann und Frau sich herausentwickelt hat. Ich beobachte jetzt Frauen, die die Tatsache, dass Frauen sich organisieren fast mit Skepsis beäugen und ich war früher so – ich habe das nicht verstanden. Ich dachte: “I‘m one of the guys.“ Ich habe dann als Moderatorin, aber auch als Mitarbeiterin des ORF im mittleren Management mit höheren Ambitionen gemerkt, dass gläserne Decken, manchmal Böden, manchmal Wände, vorhanden sind, die mir lange nicht bewusst waren. Wie bei Harry Potter gibt es diesen Bahnsteig, wo es in eine andere Welt geht. Wenn man weiß, dass es diese Welt gibt, sieht man sie auch. Die systematische Ungleichstellung wird einem bewusst, wenn man genau hinblickt. Ich beobachte oft wie Frauen argumentieren, sie seien so tüchtig gewesen und sie hätten doch so „brav hineingehackelt.“ Und dann fällt mir auf – wenn andere Frauen es sagen – was für unbrauchbare Argumente das teilweise sind, als ginge es darum. Es geht darum nicht. Ich war auf der anderen Seite oft auch bei Karriereschritten, wo ich mir sofort gedacht habe: „Ich habe ein kleines Kind und geht sich das überhaupt aus und kann ich das überhaupt?“ Und ich habe Zeit gebraucht um mir selbst auch hier einer Bewusstwerdung gewahr zu werden, um mir zu denken: Das sind Fragen, die sich nie ein Mann stellen würde.
Gab es irgendeinen Auslöser oder ein persönliches Erlebnis?
Einige! (lacht)
Wann und wie sind Sie zur Frauen Task Force gekommen?
Während ich noch in Babypause war, haben mich die Damen das eine oder andere Mal zu Gesprächen gebeten, wo sie Frauen eingeladen haben sich einzubringen. Und da war ich wahnsinnig gerne dabei, denn meine damalige Position hat meine Rückkehr nicht erleichtert. Apropos Gleichstellung: Ich mit einem Kind komme wieder zurück zum ORF und es hat in dem Sinne niemand gewartet. Es wurden die Karten neu gemischt und man musste sich zurechtfinden. Also die Karrierebremse Babypause die immer mit „Wieso – ein Mann hat ein Kind und das ist das gleiche“ abgetan wird, das stimmt halt nicht. Aber die Task Force hat mich gehört und hat mich um meine Meinung gefragt und im Rahmen dessen schien ich den Damen aufgefallen zu sein.

Was wird Ihre Rolle in der Frauen Task Force sein?
Ich
war nicht immer ein „frauenbewegter Mensch“ – ich habe mir das echt erarbeitet
und ich will mich an Frauen wenden, die vielleicht noch immer so dastehen wie
ich und sich denken: „Was mach ich beim Frauenstammtisch?“ und die Augen rollen.
Ich kam als Moderatorin über die Tatsache wie mein Aussehen, meine Herkunft
abgeurteilt wird schlecht hinweg. Und ich war sexualisierter Gewalt im Internet
ausgesetzt, bevor es den Begriff gab. Und diesen Weg haben viele Frauen, auch
wenn sie nicht moderieren.
Obwohl ich betroffen war, obwohl ich auch von männlichen Kollegen eigentlich unglaubliche Dinge gehört habe, hat mich das nicht zu einer großen reflektierten Gegenwehr veranlasst – Ich konnte den Finger nicht drauflegen. Und ich würde gerne solchen Frauen einen Weg anbieten. Weil die Task Force macht das seit 12 Jahren mit einem anderen Diskurs, das ist ein anderer Teig Frauen als ich, Feministinnen einer anderen Generation. Jetzt bin ich die erste Neue und würde auch gerne dieses Neue aus meiner Generation und für noch jüngere Frauen, die vielleicht eine Scheu haben, dass das nichts für sie sei, ins Heute bringen. Es gibt das Mentorinnen-Programm beim ORF, bei dem wir ein Hearing für Mentees neulich hatten und da hat mich beeindruckt wie viele junge Frauen aus ganz unterschiedlichen Bereichen ein Interesse an so einer Zusammenarbeit haben. Und dorthin müssen wir uns, glaube ich, wirklich entwickeln. Dass wirklich dieser Mief mit „iih, Feministin sagt man nicht“ rauskommt, weil ich wüsste eigentlich nicht genau warum man nicht Feministin sagt.
Ich glaube auch nicht, dass der Weg eine exaktere Aburteilung ist, weil dann eine starke Gegenwehr kommt, nämlich auch von Frauen. Und ich glaube auch, wenn man einen Seitenblickebeitrag kritisch beäugt oder einen Beitrag in einer anderen Sendung, dann geht es auch nicht darum mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, sondern gemeinsam als ORF eine Sensibilisierung zu erreichen. Aufzeigen: Versuch’s doch mal nicht als Angriff zu verstehen, verstehe es doch als Hinweis einer anderen Sichtweise. Dass tatsächlich bei dem Beitrag über den Jägerball man Halali und Juhu und Dekolleté und Dirndl machen kann, aber man könnte zum Jägerball auch mit einer anderen Story im Kopf hingehen.
Wie steht es um den Austausch mit anderen Unternehmen und Projekten?
Andere
Frauen-Verbände und Frauen in Firmen wissen um uns und mit denen tauschen wir
uns auch aus. Ein Austausch über Programme, Vernetzen, Visibility
und neue Ideen. Wenn das international aufgestellte Konzerne sind, ist das ja
sehr interessant. Dort ist Diversity vor
langen Jahren ein Riesenthema gewesen. Und hier ist auch international schon
ein anderer Sprech oder
eine andere Entwicklungsstufe dieses Diskurses, wo Österreich nicht zwingend
bereits dabei ist.
Und wichtig ist auch das Vernetzwerken mit
der Politik. Denn die Tatsache, dass die Gleichstellung der Frau im ORF-Gesetz
steht, ist ein wichtiger Punkt. Wenn sich jemand bewirbt und es steht „bei
gleicher Qualifikation ist eine Frau zu bevorzugen“, hat das eine andere
Gewichtung. Man muss immer laut dazu sagen: Nicht bei
schlechter, bei gleicher Qualifikation.
Mir wurde in einem Bewerbungsprozess von Außenstehenden gesagt: „Na gut, dein
großer Vorteil ist, dass du eine Frau bist.“ Und ich habe dann gesagt: „Nach
vielen Jahrtausenden von Jahren wo es ein Nachteil war eine Frau zu sein, finde
ich das total in Ordnung.“ Es hatte dann auch nicht den Effekt und ich wurde
für diese Stelle nicht besetzt. Es ist keine Garantie weit und breit. Aber als
Symbol für die Gesellschaft, die der ORF repräsentiert, die gesetzliche Verpflichtung,
die er hat, aber auch das moralische Selbstverständnis, das er verkörpert, ist
es wahnsinnig wichtig.
Welche Unterstützungen innerhalb und außerhalb des ORFs denken Sie haben Sie als Frauen Task Force?
Ich glaube, dass das Vernetzen mit anderen Frauen, die publizieren, mit anderen Frauen, die Diskurse leiten, sehr wichtig ist. Dass man unseren Moderatorinnen zum Beispiel zur Seite steht, wenn sie angegriffen werden. Es gab eine Zusammenarbeit von Frauen die unglaublichen Aggressionen ausgeliefert waren, sich organisiert haben und da wäre es schön, wenn man sie auch unterstützt. Unter dem Titel “Uns reichts” hat der Falter Barbara Kaufmann, Corinna Milborn, Hannah Herbst und Ingrid Thurnherr auf das Cover gegeben und interviewt. Das war eine gemeinsame Zusammenarbeit im Sinne von „Ich zieh mich nicht verängstigt zurück, sondern organisiere mich mit anderen Frauen, auch wenn sie für ein Konkurrenzmedium arbeiten.“
Und im Unternehmen muss es in den Alltag: Man kann in jeder Redaktionssitzung sagen „Ich hätt’ gern nicht nur Männergäste – wo ist die Frau?“ Wo schon Männer ganz oft sagen: “Wir haben nur Männer”, und noch einmal mit der Gästeliste weggehen und mit einem 50:50 Vorschlag wiederkommen. Das muss sich internalisieren, weil wie immer ist es einfach die normative Kraft des Faktischen. Ich kann mir hier etwas vorerzählen, oder ich mach’s einfach in jeder Sitzung, in jeder Sitzung mit gleichem Respekt. Es geht nicht um Bevorzugung, es geht darum, dass Frauen, die sich systematisch aus ihrer millionenjährigen (lacht) Geschichte heraus zurückziehen, unterstützt werden. Dass man einfach signalisiert, dass es in Ordnung ist sich zu Wort zu melden. Und wenn es dazu jemanden braucht der tendenziell lauter ist als andere Frauen, dann soll mir das Recht sein, weil die haben einfach was zu sagen und trauen es sich selbst nicht zu – es ist eine Tragödie teilweise.

Inwiefern haben Sie das Gefühl, dass sich in den letzten Jahren die Unternehmenskultur in gewissem Maße verändert hat?
Ich glaube, dass noch immer Luft nach oben ist. Ich war oft in Sitzungen wo der Herrenwitz noch gelinde ausgedrückt quasi das Problem war. Und dass bei einer unflätigen Äußerung und/oder Berührung interessanterweise die Umkehrung der Opferrolle nach wie vor stattfindet. Dass es eigentlich leicht ist über die – sei’s auch “nur verbal belästigte” – Frau sich lustig zu machen oder sich über sie zu erheben. Das ist viel besser geworden, ist aber, nachdem der ORF die Gesellschaft spiegelt, nicht nur in seinen Programmen, sondern auch in seiner Zusammenstellung verwurzelt. Wir sind ein riesiges Unternehmen aus vielen Generationen, das teilweise durch die Personalstruktur nicht von jungem Blut abgeschnitten ist, aber es nicht in dem Maße zulässt, wie wir es vielleicht bräuchten. Und ich denke es hat sich etwas bewegt und ich denke es kann sich noch sehr viel bewegen (lacht).
Haben Sie auch dadurch, dass Sie viel mit den Inhalten zu tun haben das Gefühl, dass sich in den letzten 10 Jahren in Bezug auf die Inhalte etwas getan hat?
Auf jeden Fall. Bei mir schwingt ja immer nicht nur Frau mit, sondern Frau und Herkunft. Und man kann bei Bildern, wenn es um Türkinnen in Wien geht, entweder eine vollverschleierte Frau von hinten zeigen, die in den besten Jahren Gemüse über den Markt schleppt – Oder man zeigt moderne, aufgeschlossene Frauen. Da kommuniziert man ja schon. Und aus dem Stereotyp raus zu gehen ist definitiv angekommen. Auch die Logik des Journalismus hat sich dahin entwickelt, am Best Practice zu zeigen und nicht in der Hysterisierung des Problems sein Auslangen zu finden.
In der gesamten Gesellschaft, und daher auch beim ORF, hat sich etwas getan. Jetzt fehlt nur noch zu sagen, dass Frauen auch Frauenprogramm machen – Das klingt so deppert. Aber dass nicht Frauen glauben, sie müssen die Blaupause eines Männerprogramms nachmachen. Weil das ist ja auch internalisiert: So g’hört ja eine Geschichte über irgendein Trachtenfest, etc. Und das verwerfliche find ich, wenn man sagt: „Ja, aber den Beitrag hat eine Frau gemacht.“ Darum geht es ja gerade. Ich habe auch schon „vor der Gleichstellungskommission ausgesagt“ sozusagen. Ich bin nicht weniger fehleranfällig, nur weil ich eine Frau bin, sondern eben meine Einladung ist gemeinsam daran Tag für Tag zu arbeiten. Und es ist wie immer eine Politik der kleinen Schritte, aber alleweil Politik und alleweil Schritte, nämlich nach vorne.
Welche Hürden, denken Sie, gibt’s in Unternehmen, dass solche umfassenden Gleichstellungsmaßnahmen nicht umzusetzen?
Was ich ganz schwierig finde ist, dass es rüberkommt, als wäre es eine versteckte Bevorzugung. Und wenn ich Herren höre, die sagen: “Naja, da gewinnt halt die Frau”, und ich denke mir “Vielleicht warst’ einfach schlechter bei dem Hearing.” Ich glaube, um es zum Gelingen zu bringen, muss es aus diesen Soft Skills auch wieder in die Köpfe. Klarmachen: Ab dem Schranken, wo man in seine Firma fährt, geht ein gewisses Verhalten einfach nicht. Andere Dinge schafft man ja auch zu Hause zu lassen. Und dass es keine Paranoia dieser Frauen ist und keine zezige Art, über die man sich lustig machen kann, müssen die Firmen klarstellen. Man kann es auch nicht der Tagesverfassung der jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überlassen, und deshalb muss das geschult und eine non-disputable fact situation geschaffen werden, so wie bei anderen Dingen auch. Man kann das einfach professionalisieren und in die Abläufe einer Firma einbringen, wenn man nur will und ich denke das muss passieren. Und es ist immer eine Augen-verdreherische “Mein Gott, jetzt auch noch die Frauen, neben allem was wir eh schon zu tun haben“, und es ist nicht auch noch, es ist ein zentrales Thema. Und das arge ist, dass man seit mehreren Millionen Jahren immer noch kämpfen muss zu sagen, dass es normal ist und dass es normal sein sollte, aber nicht ist.