Frauen und Gleichstellung im ORF – Wo steht Österreich?

von Kim Hufnagl

Wer und was in den Medien erscheint und wie Menschen und Ereignisse gezeigt werden, prägt Alltagsrealitäten und ist davon abhängig, wer Medien produziert. Medien beeinflussen kulturell geformte Geschlechterbilder, Rollenzuweisungen, aber auch die Chancengleichheit von Frau und Mann. Frauen müssen gleichermaßen auf allen Ebenen in den Medien vertreten sein, um ihren Perspektiven Öffentlichkeit zu verschaffen und Geschlechtergerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Der UNESCO World Trends Report diagnostiziert jedoch, dass mit dem derzeitigen Tempo, in dem sich Gleichstellung voran bewegt, dieser Zustand die nächsten 40 Jahre nicht erreicht wird.

Wie sieht die Medienlandschaft für Frauen in Österreich aus und was lässt sich tun? Zwar sind ca. 40% der Journalist_innen Frauen, hingegen nur 24% der Führungskräfte Frauen. Frauen verdienen durchschnittlich weniger als Männer, arbeiten öfter in prekären Arbeitsverhältnissen und machen seltener Karriere – all das, obwohl Frauen durchschnittlich einen höheren Bildungsabschluss in ihrem Feld haben. Auf dem Bildschirm ist die Situation ebenfalls problematisch: Frauen machen lediglich ein Drittel der Gezeigten aus, meist kommen Frauen nicht als Expertinnen oder in prestigeträchtigen Bereichen zu Wort.
Um Gendergerechtigkeit in Medien herzustellen, müssen strukturelle Veränderungen angegriffen werden. Ein umfassendes Policy Konzept stellt Gender Mainstreaming dar, eine Strategie, die Machtbeziehungen und Prozesse innerhalb eines Unternehmens analysiert, die Frauen nicht die gleichen Chancen bieten wie Männern, und wirksame Gegenmaßnahmen entwickelt. Bei allen Entscheidungsprozessen eines Unternehmens soll der Aspekt Gender berücksichtigt werden – auf Führungsebene ebenso wie von jedem_r Mitarbeiter_in.

Der ORF stellt einen speziellen Fall dar: Er beschäftigt als Österreichs größtes Rundfunkunternehmen die meisten Journalist_innen und ist durch das ORF-Gesetz zur Gleichstellung der Geschlechter verpflichtet. Der ORF hat im Rahmen seiner Gender Mainstreaming Strategie einen Gleichstellungsplan umzusetzen, der bereits von der EIGE als Good Practice in Europa gelobt wurde. Dieser schreibt Maßnahmen vor wie
– Gendertrainings für Führungspositionen,
– Schulungen um Aufstiegschancen von Frauen zu verbessern,
– Stellen gegen Geschlechterdiskriminierung
– sowie angestrebte Quoten, die Frauen bei gleicher Qualifikation Vorrang bei Stellenbesetzungen geben.
Der ORF ist jedoch noch lange nicht dort, wo er hin möchte: Wie der Gleichstellungsplan zeigt, ist die 45%-Quote des Frauenanteils in vielen Bereichen bei Weitem noch nicht erreicht, besonders bei Führungspositionen. Der Gender Pay Gap beträgt noch 15% und Frauen sind mehrheitlich Teilzeit-angestellt. Die Situation hat sich in den letzten Jahren jedoch stetig in diesen Bereichen verbessert.

2006 bildete sich im ORF eine Frauen Task Force, die zahlreiche der Veränderungen im Unternehmen vorantrieb, die Geschäftsführung berät und selbst Frauenmaßnahmen umsetzt. Im Rahmen unserer qualitativen Studie befragten wir die Task Force, inwiefern sich der ORF verändert hat und was es braucht, um umfassende Gleichstellungsmaßnahmen zu etablieren.
Laut der Task Force ist die gesetzliche Verankerung der Gleichstellung ein Meilenstein für den ORF: Durch die Verpflichtung zum Gleichstellungsplan werden Maßnahmen in die Unternehmensabläufe integriert, budgetiert und umgesetzt. Dieser gesetzliche Erfolg ist auch der Zusammenarbeit mit Frauen in der Politik geschuldet. Es muss jedoch unterstrichen werden, dass der ORF als öffentlich-rechtliche Anstalt anders steuer- und veränderbar als private Unternehmen ist.
Im ORF entwickelte sich die vorbildhafte Gleichstellungspolitik vor allem aus der Arbeit engagierter Frauen heraus, die sich aktiv einsetzten: Auch wenn die Frauen ihren Tätigkeiten in ihrer Dienstzeit nachgehen, ist es nicht Teil ihres Jobs. Wollen Mitarbeiter_innen die Gleichstellung in Unternehmen vorantreiben, müssen sie daher viel Eigeninitiative und Engagement zeigen. Zum einen müssen sie sich stetig Konflikten stellen, zum anderen seien umfassende Gleichstellungsmaßnahmen ohne die Unterstützung der Geschäftsführung nicht erreichbar, da die Instrumente in die Abläufe einer Firma integriert und professionalisiert werden müssen.
Als einen der relevantesten frauenfördernden Punkte werden zudem Netzwerke unter Frauen genannt: Mentoring-Programme und Frauenstammtische sowie Austausch mit anderen Frauenverbänden bieten Plattformen, die für die Beteiligten ungemein wichtig sind, um sich zu vernetzen und in männerdominierten Bereichen Erfahrungen und Unterstützung von anderen Frauen zu erhalten.

Wir führten qualitative Leitfadeninterviews mit Frauen der ORF Task Force über ihre Erfahrungen und Beobachtungen, um herauszuarbeiten wie sich Gender Mainstreaming bestmöglich umsetzen lässt. Inwieweit sich jedoch die Unternehmenskultur des ORF oder seine Inhalte durch die Maßnahmen der letzten Jahre veränderten, lässt sich nur begrenzt beschreiben und hätte weitaus mehr Interviews mit Mitarbeitenden des ORF und tiefgreifende Inhaltsanalysen benötigt.

Am Beispiel des ORF und der Task Force wurde deutlich, wie wichtig es für Frauen ist Allianzen zu bilden um gemeinsame Anliegen zu verfolgen. In derartigen Netzwerken lassen sich Probleme und Forderungen artikulieren, Lösungsansätze definieren, eine gemeinsame Stimme finden sowie eine breite Unterstützung aufbauen – in Folge können Anliegen leichter an die Unternehmensführung herangetragen werden. Neben festen Maßnahmen sind jedoch auch die persönlichen Alltagsunterstützungen relevant: Frauen, die ähnlichen Problemen gegenüberstehen, finden im Austausch Hilfestellungen und erarbeiten echte Alltags-Bewältigungsstrategien. Hinzu kommt noch, dass aus Ideen in derartigen Gruppen oftmals weitreichendere Projekte entstehen, die auf größere Bereiche der Gesellschaft wirken. Die Rolle von uns als zukünftige Generation Medienschaffender liegt wohl genau darin, am Arbeitsplatz breit unterstützende Frauennetzwerke zu schaffen, die positiv auf die Situationen der einzelnen Frauen im Unternehmen wie auch auf die Produkte ihrer Arbeit wirken.

Siehe auch:

kulturort.at: „Task Force “Frauen im ORF”: Sechs Löwinnen im Kampf für Gleichstellung“

filminstitut.at: Österreichischer Film Gender Report 2012-2016

Literatur

Bundesgesetz über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz, ORF-G). StF: BGBl. Nr. 379/1984 (WV) idF BGBl. Nr. 612/1986 (DFB) und BGBl. I Nr. 194/1999 (DFB). https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000785  Zugriff: 15.7.2019.

Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen, Gender Mainstreaming. https://eige.europa.eu/gender-mainstreaming Zugriff: 10.6.2019.

Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen, Good practices in the area of Gender Mainstreaming. https://eige.europa.eu/gender-mainstreaming/good-practices/austria/austrias-national-broadcaster-adopts-gender-equality-plan Zugriff: 10.6.2019.

Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen. Überprüfung der Umsetzung der Pekinger Aktionsplattform in den EU-Mitgliedstaaten: Frauen und die Medien – Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in Entscheidungsprozessen in Medienorganisationen. 2014. https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/0406d3e9-84ac-48f8-b939-7f549ba77650/language-de Zugriff: 10.7.2019.

Kirchhoff, Susanne, Prandner, Dimitri, Aichberger, Ingrid. „Who Makes the News? Austria Global Media Monitoring Project 2015: National Report“. 2015. http://whomakesthenews.org/gmmp/gmmp-reports/gmmp-2015-reports Zugriff: 10.7.2019.

Kirchhoff, Susanne und Dimitri Prandner. „Austria: Working Conditions, Representation and Measures towards Gender Equality”. Gender Equality and the Media: A Challenge for Europe. Hg. Von Karen Ross und Claudia Padovani. Routledge: Taylor and Francis, 2016, S. 47-59.

ORF. Gleichstellung im ORF 2018. 2018. https://zukunft.orf.at/rte/upload/texte/recht_grundlagen/gleichstellung_im_orf_2018_short.pdf Zugriff: 15.7.2019.

Stiegler, Barbara. „Gender Mainstreaming, Frauenförderung, Diversity oder Antidiskriminierungspolitik – was führt wie zur Chancengleichheit?“ Zeitschrift für Frauenforschung & Geschlechterstudien, 23, 3, 2005, S. 9-21. 

UNESCO. World Trends in Freedom of Expression and Media Development: 2017/2018 global Report. Paris, 2018. https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000261065 Zugriff: 10.6.2019.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s