Von Sonja Wind
In den 90er Jahren wurde die Kinder- und Jugendbetreuung in öffentlichen Parks von der Stadt Wien initiiert.
Denn die Kinder hätten ein „Recht auf Spiel“ – und das sollte gefördert werden. Heute gilt die Wiener Parkbetreuung als „best practice“ in ganz Europa. Wie die Parkbetreuung genau funktioniert, erzählten uns Renate Kraft aus der MA 13 (Fachbereich Jugend / Pädagogik) und die pädagogische Leiterin des Vereins Juvivo Katharina Röggla.
Dass Wien zu einem solchen Vorbild aufsteigen konnte, sei zum einen ein zeitgeschichtliches Phänomen und zum anderen den damaligen politischen Kräften und der Zivilgesellschaft zu verdanken, erklärt Renate Kraft. „Bei der Stadt im Landesjugendreferat, also meine Kolleginnen und ich, haben das Bespielen des öffentlichen Raums und das Recht auf Spiel für Kinder stark vertreten.“. Die damals teilweise geforderte Parkbewachung kam für sie nicht in Frage. Der soziale Aspekt sollte stattdessen in den Vordergrund und das Miteinander im Park gefördert werden.
Anfangs beschränkten sich die Angebote nur auf die Sommersaison, bald aber weitete man sie auf das ganze Jahr aus. Einen großen Einfluss hatten auch die Fluchtbewegungen in den 90er Jahren, die infolge der Jugoslawienkriege stattfanden.
„Vor allem aus Bosnien waren ganz viele traumatisierte Kinder da, die schon viele Brüche erlebt haben. Da wäre es dramatisch gewesen, wenn die das hier nochmal erleben hätten müssen.“
Renate Kraft

Der Verein Juvivo nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein. Im Grünwaldpark führte er eines der ersten ganzjährigen Projekte ein und setzte sich für eine Erweiterung der Jugendangebote ein. Die klassische Parkbetreuung zielte auf sechs bis vierzehnjährige Kinder ab. „Dass das schwer durchzuziehen ist im öffentlichen Raum, war relativ rasch klar.“, sagt Katharina Röggla von Juvivo.
Speziell bei den Mädchen war es eine Herausforderung, sie in die Aktivitäten miteinzubeziehen. Denn die Mädchen hatten oft ihre kleinen Geschwister im Schlepptau, um die sie sich kümmern mussten. „Wenn man ihnen was ermöglichen wollte, musste man sich um die Kleinen kümmern. Also haben die Kleinen was zu zeichnen bekommen und dann konnte man den größeren Mädchen auch Angebote bieten.“, erklärt Renate Kraft.
Der Geschlechterschwerpunkt wurde schnell zum festen Bestandteil der Parkbetreuung. „Und es war dann auch sehr rasch klar, wenn ich öffentlichen Raum für die Mädchen anbieten will, dann muss ich mich auch mit den Burschen auseinander setzen.“, so Renate Kraft. Bei Juvivo werden nicht nur Outdoor-, sondern auch Indoor-Betreuungsaktivitäten angeboten. Hier liege das Geschlechterverhältnis bei ungefähr 70 Prozent Burschen und 30 Prozent Mädchen.
„Gerade Indoor ist es so, dass die Burschen eher zu uns kommen und wir uns überlegen, wie wir für Mädchen ansprechbar sein können“,
Katharina Röggla

Die Bedürfnisse der Burschen unterscheiden sich speziell im sportlichen Aspekt. Hier sind Action und Spaß ein wichtiger Faktor, insbesondere für jene Kinder, die in den Sommerferien nicht viel aus der Stadt kommen. Dass auch das digitale Zeitalter die Anliegen der Kinder beeinflusst, erklärt Renate Kraft.
„Die Verbindung zwischen dieser medialen oder digitalen Welt und dem öffentlichen Raum stellen wir bewusst her. Wir haben zwei Jahre in der Jugendarbeit den Schwerpunkt Medienarbeit gehabt und geschaut, wie wir Social Media nicht verteufeln, sondern in den realen Umgang inkludieren können.“
Renate Kraft
Nicht nur der digitale Konsum der Kinder- und Jugendlichen hat sich verändert, sondern auch der materielle Konsum und das Bedürfnis an der Konsumgesellschaft teilzuhaben. Das ist nicht nur in Parks, sondern auch generell im öffentlichen Raum ein Thema, mit dem sich die Kinder- und Jugendarbeit auseinandersetzen muss.
Auffällig ist die jüngst wieder gestiegene Notwendigkeit der Essensversorgung. Kinder und Jugendliche, die aus ärmeren Verhältnissen kommen, würden zum Teil hungrig zu den Angeboten erscheinen.
„Viele Kinder kommen zu Mittag in unsere Einrichtungen oder in den Park und essen bei uns das erste Mal an dem Tag.“, schildert Katharina Röggla.
Über die In- und Outdoor-Betreuung hinaus sind Ausflüge ein gern genutztes Angebot. Fast alle Einrichtungen bieten Tagesausflüge, teilweise auch mit Übernachtungen, an. Diese sind im Großen und Ganzen sehr beliebt. Allgemein wird auf ein gendersensibles Angebot geachtet. So sind Angebote wie „Tanzen im Park“ oder „Slack Lines“ zum Beispiel für Mädchen sehr interessant.
Die Umsetzung solcher angebotenen Projekte erfolgt über die Fachaufsicht der MA13, die sowohl für das finanzielle als auch für das pädagogische Controlling verantwortlich sind. Sie planen, vernetzen und kümmern sich um bestimmte Themen. Dafür werden Vereine, die auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen spezialisiert sind, gefördert.
Seit Anbeginn stellt die kulturelle und soziale Vielfalt eine Herausforderung in den Parks dar. Die Stadt Wien leistet durch ihre Angebote einen wertvollen Beitrag zur Inklusion, Integration und Akzeptanz zwischen den Kindern und der Generationen.
Herausforderungen bei dieser Arbeit sieht Katharina Röggla auch bei Verdrängungsprozessen. Die Polizei ist etwa ein besonders heikles Thema. „Wenn die Polizeistreife ständig in den Parks kontrollieren, kriegen die Kinder das mit. Die Kinder kriegen auch mit, wenn die Eltern oder die größeren Brüder kontrolliert werden – und das hat Effekte“, äußert sich Katharina Röggla dazu.
Problematisch ist auch das Wegschneiden von Gebüsch in Parks, denn damit wird wohnungslosen Menschen der Schlafraum genommen. Diese suchen sich erfahrungsgemäß ihre Schlafplätze in Folge auf Spielplätzen. Dadurch entsteht ein Raumnutzungskonflikt zwischen Kindern und Obdachlosen, der vorgebeugt werden muss.
Aufgrund der regelmäßigen Anwesenheit im Park sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wichtige Bezugspersonen für die Kinder. Sie richten ihre Aufmerksamkeit auf die Parknutzenden und begegnen ihnen offen und interessiert. So bauen sie eine vertrauensvolle und wertschätzende Gesprächsbasis zu den Kindern und Jugendlichen auf. Gesprächsinhalte werden vertraulich behandelt.
In Zukunft bleibt das Hauptziel der Wiener Parkbetreuung ein spielerisches Angebot, das für alle Kinder und Jugendliche, insbesondere für sozioökonomisch benachteiligte Kinder, offen sein soll. Aufgrund des Klimawandels ist die naturnahe Gestaltung der Stadt, zusammen mit der Stadtplanung und Stadtgestaltung, ein weiteres großes Ziel der Stadt Wien. Ebenso intergenerative Projekte und Beschäftigung mit dem dritten Geschlecht werden zukünftig eine große Rolle spielen.
Mit der Wiener Parkbetreuung leistet die Stadt Wien einen bemerkenswerten Beitrag zur Belebung der öffentlichen Parks. Ein offenes Ohr für gesellschaftliche Entwicklungen und die Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen machen die Parkbetreuung in Wien zu einem fortschrittlichen und flexiblen Konzept.